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Der Pin hat aus­ge­dient – heute gilt die Ge­sichts­er­ken­nung

Gesichtserkennung ist ein brandaktuelles Forschungsthema, nicht nur in den Neurowissenschaften. Mit modernen lichtbasierten Technologien ist es gelungen, Gesichtserkennung neuerdings auch auf elektronischen Geräten wie z.B. Smartphones möglich zu machen. Zusammen mit dem Fingerabdruckscanner betreten wir mit der Gesichtserkennung ein neues Zeitalter der digitalen Sicherheit: Entweder ich benutze ein Passwort, oder ich bzw. mein Körper ist das Passwort.

Text und Bilder: PD Dr. Udo Birk

Wie funktioniert Gesichtserkennung, und welche Vor- bzw. Nachteile bietet die Gesichtserkennung, z.B. bei der Authentifizierung gegenüber der herkömmlichen Eingabe von Passwort oder PIN? Die Eingabe einer PIN ist mühsam, der Schutz vor Missbrauch nicht unbedingt hoch: Bei einer vierstelligen PIN müssen lediglich 10'000 verschiedene Zahlenkombinationen ausprobiert werden. Zusätzliche Schutzmassnahmen sind erforderlich, die das Gerät z.B. nach dem dritten Fehlversuch dauerhaft sperren. Aber genau dies kann für den Nutzer auch ein Problem darstellen, wenn er oder sie nicht mehr auf das Gerät zugreifen kann.

Die Gesichtserkennung basiert auf Bildern, die üblicherweise viele Millionen Bildpunkte beinhalten. Jeder dieser Bildpunkte kann dabei wie eine weitere Ziffer der PIN die Sicherheit erhöhen. Durch diese grosse Datenmenge könnte die Gesichtserkennung sehr viel sicherer sein, als z.B. ein Fingerabdruckscanner, welcher sich leicht überlisten lässt, indem man etwa einen fremden Fingerabdruck mit Hilfe eines Klebestreifens abnimmt und dem Fingerabdruckscanner vorlegt. Aber wie sicher ist die Gesichtserkennung? Während früher die Geräte nicht zwischen einem realen Gesicht und einer Fotografie unterscheiden konnten, werden heute durch den Einsatz von 3D Bildgebung (z.B. einer 3D Kamera) Täuschungsversuche leicht erkannt: Im 3D Bild sind – im Gegensatz zum Foto – zusätzlich die Profilinformationen, d.h. das Relief des Gesichts enthalten. Im Hintergrund laufen Programme, die die Form des Gesichts analysieren und mit zuvor gespeicherten Daten vergleichen.

Strukturierte Beleuchtung
Eine Möglichkeit der 3D Bildaufnahme besteht darin, das Gesicht mit einem Muster zu beleuchten. Durch das Profil des Gesichts wird das Muster verzerrt. Die Infrarot-Lichtpunkte sind für das Auge nicht wahrnehmbar.

Wie gut dieser Abgleich funktioniert, bzw. ob ein Gesicht richtig oder falsch erkannt wird, hängt von vielen Faktoren ab. Oftmals werden die Programme mit Hilfe eines definierten Sets aus Beispielgesichtern entwickelt. Dabei werden grosse Beispieldatensätze mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Gesichtern gewählt, um möglichst viele Faktoren abzudecken. In der Praxis können dennoch unvorhergesehene – weil in den Beispieldaten nicht enthaltene – Gesichtsformen auftreten, und so zu Problemen führen, wenn das Gerät für die falsche Person entsperrt oder das eigene Gesicht nicht erkennt.

Filmaufnahme mit einer 3D Kamera
Die 3D-Information kann zum Beispiel farbcodiert dargestellt werden: Gelb sind Punkte, die sich nahe der Kamera befinden. Etwas weiter entfernte Bereiche sind grün und türkis dargestellt. Blaue und lila Bereiche haben einen grossen Abstand.

Verschiedene Techniken stehen zur Verfügung um 3D Gesichtsmessungen zu ermöglichen: Zwei Kameras gleichzeitig erzeugen ein Stereobild analog zur 3D Wahrnehmung des Menschen, oder eine Kamera wird mit besonderen Lichtquellen kombiniert, oder ein Infrarotpunkt- bzw. -streifenmuster wird auf das Gesicht projiziert, oder die Kamera muss um das Gesicht herumbewegt werden. Alle diese Techniken dienen dem gleichen Ziel, nämlich eine Art dreidimensionale Profilkarte des Gesichts zu erhalten, also nicht nur aufzunehmen, wie das Gesicht aussieht, sondern auch welche 3D Ausdehnung und Orientierung die Gesichtsmerkmale wie z.B. Nase, Kinn, Augen und so weiter haben.

ProfilanalyseProfilanalyse
Die Gesichtsoberfläche wird analysiert, und kann anschliessend mit dem gespeicherten Gesichtsprofil verglichen werden.

Um derart Daten zu erzeugen werden zunächst optoelektronische Verfahren angewendet, wenn es z.B. darum geht, effiziente Schaltungen für die zeitgesteuerte Beleuchtung und Lichtdetektion zu entwerfen und zu aufbauen. Die optimale Ausleuchtung und Bildaufnahme, sowie die Bildauswertung inklusive Gesichtsdetektion und –identifikation hingegen sind Teilbereiche der Bildverarbeitung. Die HTW Chur bietet zu beiden diesen Schwerpunkten auch Weiterbildungen an.

Die neuesten Verfahren der Gesichtserkennung können sogar eineiige Zwillinge unterscheiden. Fortschrittliche Algorithmen sollen in der Lage sein, Änderungen von Haarlänge oder Bartwuchs vorherzusagen, und sich nicht durch das Tragen einer Kopfbedeckung, von Brillengläsern oder ähnlichem beeinflussen lassen.

Der Schutz der gespeicherten Gesichtsdaten stellt eine weitere grosse Herausforderung dar, denn Sie können zwar Ihr PIN ändern, aber nicht Ihr Gesicht – Hacker können sich genau diese Chance zu Nutze machen, und in Ruhe den unveränderlichen Code knacken.

Software zur Gesichtserkennung. Im CAS Bildverarbeitung werden an der HTW Chur z.B. Methoden zur Objektdetektion und Objektverfolgung erlernt. Damit lässt sich etwa der Maus-Zeiger (grünes Kreuz) mittels Blickrichtung steuern.

Weiterbildung in Optoelektronik und Bildverarbeitung

Die HTW Chur bietet Weiterbildungen in Optoelektronik und in Bildverarbeitung. Dort lernen die Teilnehmenden z.B. eigene Schaltungen für Beleuchtung und Bildaufnahme zu entwerfen und zu bauen, oder die aufgenommenen Bilder zu analysieren und live auszuwerten.


 

Anzahl Kommentare 1
Kommentar

Face Six 08.07.2018

Bislang haben die Bürgerrechtsgruppen noch keinen überzeugenden Grund vorgelegt, warum der Schaden bei der Verwendung der Gesichtserkennungstechnologie in ähnlicher Grössenordnung liegt, wie die durch Gesichtserkennung erhaltenen Sicherheitsvorteile. Und bislang gibt es auch noch keine Verordnung zu ihrer Verwendung.

Von den Regierungen und öffentlichen Behörden wird die Verwendung von Gesichtserkennung als ein hervorragendes Werkzeug für die Durchsetzung der Gesetze und den Schutz der Öffentlichkeit angepriesen. Man könnte aber argumentieren, dass es auch trotz Gesichtserkennung bestimmt eine Möglichkeit gibt, den Datenschutzkampf gegen die Regierung zu gewinnen. Aber angesichts der fortschreitenden Verbreitung von Gesichtserkennungssoftware im kommerziellen Bereich (aber auch im Consumer Bereich) wird der Privacy-Kampf der Bürgerrechtsgruppen wohl zu einem verlustreichen wenn nicht aussichtslosen Kampf.